Konfliktvermeidung

Wie kann ich es schaffen, Konflikte zu vermeiden?

Wir sollten vielleicht erstmal überlegen, was ein Konflikt ist. Es gibt verschiedene Definitionen und Auffassungen.

Einige Menschen behaupten, wir bräuchten einen Konflikt, um überhaupt etwas zu verändern. Wenn das so wäre, sollte man Konflikte gerade nicht vermeiden. 

Ich gehe aber damit anders um. Ich denke nicht, dass wir Konflikte brauchen, um etwas zu verändern. Was wir brauchen, sind Spannungen. So ähnlich wie beim Strom. Plus und Minus erzeugen ein Spannungsfeld. Und dadurch, dass diese Spannung existiert, kann der Strom fließen. Und genauso ist das beim Menschen. Wenn wir alle gleich denken würden, alle die gleiche Auffassung hätten, dann hätten wir eigentlich wenig miteinander zu reden. Das heißt, die Spannung ist das, was jetzt im Prinzip den Impuls gibt, sich zu entwickeln, etwas weiterzuführen und so weiter. Das ist für mich jetzt noch kein Konflikt.

Beim Konflikt prallen verschiedene Meinungen und verschiedene Interessen aufeinander. Und Konflikt heißt eigentlich aufeinanderprallen. Meistens kommt dann ein emotionales Element dazu. Zum Beispiel ich habe Angst, wenn das jetzt nicht gut gelöst wird, dann passiert mir was ganz Schlimmes. Oder ich werde wütend auf den anderen Menschen.

Wichtig ist zu unterscheiden: Spannungen sind wichtig, aber sie sollten so sein, dass wir nicht das Gefühl haben, alles geht kaputt. Wenn wir Konflikt so verstehen, wie beim Strom, dann wäre der Konflikt im Prinzip der Kurzschluss. Wir brauchen Spannung, damit der Strom fließt, aber ein Kurzschluss hindert den Fluss und diesen sollten wir vermeiden. Denn erstens fließt dann kein Strom mehr und zweitens, kann es weitere Schäden nach sich ziehen.

Die Frage ist jetzt: „Wie vermeiden wir einen Kurzschluss?“

Wir implizieren, dass wir Spannungen zulassen und ausleben können, jedoch ohne, dass es zu einem Kurzschluss kommt. Nehmen wir als Beispiel einen Fluss, wie den Rhein, er wird ja auch als Strom bezeichnet. Der Rhein ist ein stark fließender Fluss, den wir nicht stoppen können. Wir bräuchten sehr viel Energie, um den Fluss zu stoppen.

Beim Konflikt ist es dasselbe. Wir brauchen viel Energie, um den Konflikt zu stoppen. Wir müssen noch mehr Energie aufbringen, als der Konflikt an sich schon an Energie liefert. Bevor der Rhein begradigt wurde und es Hochwasser gab, ist das Hochwasser in die Auen abgeflossen. Beim Konflikt würde man das auch so machen. Die Konfliktenergie wird nicht aufgehalten, sondern umgeleitet.

Daher bietet es sich an, als erstes eine Strategie oder Methode zu entwickeln:

Wie kann ich die Spannungen abbauen, sodass die Spannung erhalten bleibt, aber nicht zum Kurzschluss führt?
Und wenn es zum Kurzschluss führt, wie leite ich den Kurzschluss, so dass keine Katastrophe passiert?
Das wären die zwei zentralen Fragen, mit denen man sich auseinandersetzen muss. Aber wie erkenne ich, dass es eine Spannung gibt? Damit ich den Bogen zum Kurzschluss nicht überspanne?

Die Spannung zeigt sich, dass ich zunächst mal eine andere Meinung als ein anderer Mensch habe. Das kann ich auf alles beziehen: Im Unternehmen, in der Beziehung, in einer Freundschaft, in der Nachbarschaft, bei den Kindern etc. Dann ist die Frage: Akzeptiere ich die andere Meinung? Wenn nicht, werden wir unsere Meinungen immer vehementer verteidigen und mit Argumenten untermauern. Die Spannung baut sich weiter auf.

Hier ein Beispiel: Ich bin deine Vorgesetzte und sage dir: „Hol mir mal einen Kaffee.“ Ich gehe davon aus, dass Kaffee holen zu deinem Job gehört. Du glaubst es gehört nicht zu deinem Job und holst mir keinen Kaffee. Du denkst: „Du kannst mich mal.“ Du sagst das aber zunächst mal nicht. Die Spannung ist da. Was passiert jetzt in deinem Kopf? Was passiert in meinem Kopf?

Ich denke: „Du machst nicht, was ich möchte. Okay, dann setze ich noch eins obendrauf“. Ich werde immer massiver. Ich werde auch immer massiver in meinem Widerstand. Du auch. Jetzt bilden sich Positionen. Das heißt, die Spannung verfestigt sich im Grunde. Und die Auflösung wird schon immer schwieriger.

Eine alternative Möglichkeit wäre: Ich sage: „Bitte hol mir einen Kaffee.“ Du sagst: „Kaffee holen ist nicht mein Job.“ Wie gehe ich damit um? Variante eins ist, du widmest es einfach um, indem du sagst: „Kaffee holen ist nicht mein Job, aber den Gefallen tue ich dir gern.“ So gehst du einem Konflikt aus dem Weg. Aber du gibst mir auch nicht recht. Das kannst du machen, des lieben Frieden willens. Oder tust du mir auch gern einen Gefallen. Aber du reagierst nicht auf meine Anweisung. Das wäre damit erst mal erledigt, aber die Spannung
bleibt bestehen.

Denn die Frage: „Darf ich dir diese Anweisungen geben oder nicht?“, bleibt. In diesem Moment sind wir dem Konflikt aus dem Weg gegangen. Die Lösung könnte sein, dass du mir Zukunft gern Kaffee holst, weil ich so nett bin oder eben nicht. Machst du es nicht, mache ich dir dann immer massiver Vorschriften. Dann kommen wir irgendwann nicht daran vorbei, das Thema auszudiskutieren.

Gleiche Situation:
Ich sage Dir: „Hol mir mal einen Kaffee.“
Du sagst: „Kaffee holen ist nicht mein Job.“ Und holst mir auch keinen Kaffee. Ich denke: „Was fällt dir denn ein?“ Es kommen immer mehr negative Emotion bei mir hoch. Dementsprechend kommen auch immer negative Emotion bei dir hoch. Wir sind beide sauer oder wütend. In diesem Moment wäre ein Gespräch, dass das klären könnte, nicht möglich.

Wenn wir in die Spannung weiter reintreiben wollen, dann bilden wir Schubladen und du wirfst mir vor, das ist sexistisch, das ist feministisch oder was auch immer. Die Vorwürfe werden stärker. Damit kommt es immer mehr in den Kurzschluss, in die Explosion rein. Das wollen wir ja vermeiden. Wir wollen den Konflikt vermeiden.

In diesem emotional aufgeladenen Moment anfangen, das auszuargumentieren, ist gefährlich. Geschickt wäre jetzt zur Konfliktvermeidung einen Rahmen oder eine Gelegenheit zu finden, bei der man drüber sprechen kann. Und das ist eine Gelegenheit, bei der man möglichst wenig Emotionen hat. Da wäre es eine gute Strategie zu sagen: „Okay, ich sehe das anders. Darüber sollten wir mal reden.“ Auch wenn einer von uns, nicht reden möchten dranbleiben. „Okay, du möchtest nicht darüber reden, aber ich möchte es verstehen, damit ich es auch so machen kann, wie es richtig ist.“

„Lass uns drüber reden. Ich glaube, es ist nicht der richtige Moment. Wir treffen uns morgen beim Kaffee.“ Die gute alte Empfehlung „Erst mal eine Nacht drüber schlafen“ ist gut, damit sich die Emotionen etwas abbauen können. Die nächste gute Gelegenheit, die sich ergibt, nutzen wir dann für das Gespräch.

Zu beachten ist:
⭐️ Unsere Emotionen sind abgebaut
⭐️ Wir reden an einem unbelasteten Ort
⭐️ Wir machen einen Termin aus oder nutzen eine gute informelle Gelegenheit

Das Gespräch könnte so laufen:
Du: „Du, das mit dem Kaffee. Ich sehe das ganz anders. Ich meine nicht, dass das mein Job ist. Wie denkst du darüber?“
Ich: „Ich meine, das ist dein Job und steht im Arbeitsvertrag.“
Du: „Nein. Aber da können wir ja gucken.“

Das wäre ein Fakt, der sich prüfen lässt. Du: „Okay, sollen wir das mal zusammen machen?“

Die Botschaft dahinter: Ich lasse mich auf deine Meinung ein und sende es dir als Botschaft. Ich wehre mich nicht gegen deine Meinung. Um das Thema „Kaffee holen“ zu klären, würde eine Stellenbeschreibung sehr helfen.

Wenn in der Stellenbeschreibung steht, dass Kaffee holen zu deinem Job gehört, dann hast du dich irgendwann mal auf den Arbeitsvertrag eingelassen und musst es halt machen. Oder wir ändern den Arbeitsvertrag. Aber dann hast du einen anderen Ansprechpartner.

Üblicherweise steht zum Kaffee holen nichts im Arbeitsvertrag und wir haben eine spannende Frage: Was gehört zu meinem Job? Und wie bekommen wir darüber die gleiche Sicht? Diese Frage werden wir gemeinsam als Thema erarbeiten: Was ist mein Job?

Wir prüfen gemeinsam die Arbeitsplatzbeschreibung. Wenn es Punkte sind, die sich aus dem Arbeitsvertrag nicht eindeutig klären lassen, erarbeiten wir gemeinsam eine Lösung.

Wir sammeln gemeinsam Kriterien:

Was sind die Kriterien für meinen Job?
Diese Kriterien abwechselnd völlig wertfrei als Brainstorming sammeln.
In zwei Spalten (deine und meine Spalte) sammeln.
So arbeiten wir uns von hinten an das Problem heran und bewegen uns aufeinander zu. Denn üblicherweise ist es so: Ich hau mein Problem auf dich. Du haust dein Problem auf mich. Und wir argumentieren um die Wette. Wir suchen immer weiter nach noch besseren Argumenten, damit der andere endlich versteht, dass wir recht haben.

Doch statt zu argumentieren wäre es sinnvoller zu erklären und zu begründen. So können wir ein Verständnis füreinander entwickeln. Die Lösung liegt im Verstehen des anderen.

Wenn die Situation aber mittlerweile so verfahren ist, dass niemand mehr auf den anderen zugehen möchte, hilft die Unterstützung einer Mediatorin oder eines Mediators. Sie begleiten das Gespräch professionell und führen schnell aus den Vorwürfen raus in ein konstruktives Miteinander. Das spart viel Lebensenergie, Zeit und Geld.

Vielen Dank für deine Zeit❣️

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